Die Frage, warum wir krank werden, ist nur zu verständlich, denn niemand ist gerne krank. Und doch gehören Krankheiten zu unserem Leben als Menschen. Von manchen Krankheiten genesen wir schnell. Manchmal dauert der Heilungsprozess länger. Und manchmal besteht keine Hoffnung auf Gesundung. Die Frage nach dem „Warum“ stellt sich dann umso mehr.
In Johannes 9 begegnet der Herr einem Mann, der von Geburt an blind ist. Menschlich gesprochen ein hoffnungsloser Fall. Noch nie war ein blind geborener Mensch sehend geworden. Die Jünger stellen ihrem Meister eine Frage, die typisch für ihr jüdisches Denken ist. Sie wollen wissen, warum dieser Mann blind ist. Für sie gibt es nur zwei mögliche Antworten: Entweder hat er selbst gesündigt oder seine Eltern (s. Joh 9,2).
In seiner Weisheit antwortet der Herr: „Weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern“ (Joh 9,3). Damit stellt der Herr nicht in Abrede, dass Krankheiten grundsätzlich eine Folge des Sündenfalls sind. Denn das ist tatsächlich so. Wir können sicher sein, dass Adam und Eva im Paradies nicht krank gewesen sind.
Im Fall des Blindgeborenen geht es jedoch darum, dass die Blindheit des Mannes nicht durch eine konkrete Sünde hervorgerufen wurde, sondern eine andere Ursache hatte. Die Jünger mussten lernen, umzudenken.
Die Frage nach der Ursache von Krankheit und Leid bewegt viele Menschen. In zahlreichen menschlichen Religionen besteht ein enger Zusammenhang zwischen Fehlverhalten und Krankheit. Wer leidet, muss etwas falsch gemacht haben (s. z. B. Apg 28,4). Die Freunde Hiobs gingen ebenfalls davon aus. Und tatsächlich gibt es auch Christen, die so denken. Doch so einfach ist das nicht.
Dabei ist es unbestritten, dass die Bibel von Krankheiten spricht, die durch konkrete Sünden hervorgerufen worden sind (s. z. B. 1. Kor 11,30). Doch das ist keineswegs ein Automatismus. Leid und Not können ganz unterschiedliche Ursachen haben, die wir manchmal nicht genau erkennen und unterscheiden können. Deshalb sollten wir, vor allem dann, wenn es sich nicht um uns selbst handelt, mit einer Beurteilung äußerst vorsichtig sein.
Im Fall des blind geborenen Mannes benennt der Herr den Grund. Er fügt seiner Aussage, dass die Ursache nicht eine konkrete Sünde ist, hinzu: „… sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden“ (Joh 9,3). Im konkreten Zusammenhang des Kapitels geht es darum, dass die Menschen die Werke des Sohnes Gottes ablehnten, der als das Licht in die Welt gekommen war. Doch unabhängig davon wirft die Antwort des Herrn Licht auf die Frage nach der möglichen und vielleicht tiefsten Ursache von Krankheit und Leid.
Gott hat seine eigenen und weisen Gründe dafür, dass Er Krankheit und Leid zulässt. Es ist möglich, dass Er schwierige Umstände schickt, um etwas von sich zu zeigen und sich selbst zu verherrlichen. So war es im Fall der Krankheit (und sogar des Todes) von Lazarus (s. Joh 11,4). So war es im Zusammenhang mit dem Tod von Petrus (s. Joh 21,19). So war es in einem gewissen Sinn auch bei der Bedrängnis des Apostels Paulus (s. 2. Kor 12,9).
Und auch der Bettler wurde blind geboren, damit die machtvollen Werke Gottes in der Heilung sichtbar werden sollten und der Sohn Gottes dadurch verherrlicht werden konnte. Die kurze Aussage des Erlösers an seine Jünger enthält ohne Frage großen Trost für uns, wenn wir krank sind oder durch andere Schwierigkeiten gehen.
Es kann sein, dass Gott in seiner Regierung mit uns handelt, weil wir etwas falsch gemacht haben. Es kann jedoch ebenfalls sein, dass Er sich verherrlichen möchte. Wie Er das tut, überlassen wir Ihm. Damals griff Er aufsehenerregend ein und zum ersten Mal überhaupt wurde ein Mensch, der blind zur Welt gekommen war, sehend. Heute handelt Gott meistens weniger spektakulär. Dennoch handelt Er immer wunderbar, wenn Er sich verherrlicht und seine Werke offenbar werden.
Es ist denkbar, dass wir das Handeln Gottes nicht sofort erkennen. Vielleicht geschieht dies erst nach vielen Jahren. Spätestens jedoch am Richterstuhl des Christus wird jede Frage nach der Ursache von Krankheit, Leid und Not beantwortet werden und das wird dazu beitragen, dass Gott verherrlicht wird.
Im konkreten Fall müssen wir nicht krampfhaft fragen, warum Gott etwas zulässt, das uns nicht gefällt und wann Er uns Erleichterung schenkt. Es mag sein, dass wir Gottes Absicht hinter seinem Handeln mit uns erkennen. Häufig wird es jedoch nicht der Fall sein. Das muss uns nicht beunruhigen. In jedem Fall aber dürfen wir uns im Gebet vertrauensvoll in seine Hand legen und sollten das Bewusstsein dessen nicht verlieren, dass Er uns liebt, dass Er uns beisteht und dass Er eine konkrete Absicht hat. Wir wissen, dass alles, was uns begegnet, zu unserem Guten mitwirkt (s. Röm 8,28). Paulus sagt hier nicht, dass wir es verstehen, sondern dass wir es wissen (und somit glauben). Wir müssen nicht alles verstehen, sondern dürfen Gott vertrauen.
Ernst-August Bremicker
Bis zum Alter von etwa 30 Jahren (s. 1. Mo 41,46) durchlebte Joseph schwierige Zeiten. Beneidet und gehasst von seinen Brüdern und unverstanden von seinem Vater, hatte er bereits als Jugendlicher kein unbeschwertes Leben. Als er sich nach dem Wohlbefinden seiner Brüder erkundigen wollte, warfen sie ihn zunächst in eine Grube und verkauften ihn dann als Sklaven an midianitische Kaufleute (s. 1. Mo 37). Wir würden das heute als ein traumatisches Erlebnis bezeichnen.
Später in Ägypten angekommen, versah Joseph in großer Treue seinen Dienst im Haus Potiphars. Von dessen böser Frau wurde er verleumdet und landete ungerechterweise im Gefängnis. Auch dort diente er in Treue. Durch die Offenbarung Gottes konnte er die Träume der beiden gefangenen Hofbeamten des Pharaos deuten. Allerdings vergaß der Oberste der Mundschenken nach seiner Freilassung Josephs Bitte um Befreiung aus seiner ungerechten Gefangenschaft. Das war eine weitere Enttäuschung für den jungen Mann, der in Treue zu Gott gehandelt hatte (s. 1. Mo 39 und 40).
Die Bibel berichtet nichts davon, dass Joseph in diesen herausfordernden Umständen unwillig oder unzufrieden gewesen sei. Obwohl er in Treue zu Gott handelte, schien alles zu seinem Nachteil zu führen. Wir lesen außer in dem Rückblick der Brüder in 1. Mose 42,21 auch nicht, dass Joseph traurig[1] gewesen wäre oder dass er Gott Vorwürfe wegen seiner schwierigen Situation gemacht hätte.
Joseph nahm alle diese Prüfungen in großer Geduld und im Vertrauen auf Gott an – wir lesen nichts davon, dass er aufbegehrte oder haderte. War er deshalb empfindungslos oder ignorant? Nein, das war er nicht. Ein Beleg dafür waren die Tränen, die er beim Wiedersehen mit seinen Brüdern in Ägypten vergoss, als sie zu ihm kamen, um Nahrung bei ihm zu kaufen.
„Und er wandte sich von ihnen ab und weinte. Und er kehrte zu ihnen zurück und redete zu ihnen; und er nahm Simeon aus ihrer Mitte und band ihn vor ihren Augen“.
Joseph forderte von seinen Brüdern, dass sie ihren jüngsten Bruder Benjamin nach Ägypten bringen sollten, um ihre Wahrhaftigkeit zu prüfen (s. 1. Mo 42,20). Benjamin war der zweite Sohn Rahels, der Lieblingsfrau Jakobs, und wurde deshalb von seinem Vater Jakob besonders geliebt. Die Brüder sahen diese Forderung als Strafe für ihr Fehlverhalten gegenüber Joseph an, weil sie ihn damals verkauft und dem Vater vermittelt hatten, dass Joseph wohl von einem Tier getötet worden sei. Die Reue der Brüder rührte Joseph zu Tränen.
Es sollte uns ansprechen, wenn ein erstes Signal der Umkehr von solchen, die dem Herrn Jesus nicht mehr oder noch nicht nachfolgen, erkennbar ist. Ein freudiges Hoffen erfüllt das Herz, dass der Herr weiter an ihnen wirken möge. Oder sind wir eher über das Leid traurig, dass uns angetan wurde? Joseph dachte in diesem Augenblick wohl nicht an sich, sondern an seine Brüder.
„Und Joseph eilte (denn sein Innerstes wurde erregt wegen seines Bruders) und suchte einen Ort, um zu weinen; und er ging in das innere Gemach und weinte dort“.
Benjamin zog nun mit seinen Brüdern nach Ägypten. Sein Vater hatte dem Drängen der Brüder nachgegeben. Die Hungersnot war groß und Juda hatte sich in Bezug auf seinen jüngsten Bruder beim Vater für ihn verbürgt. Bereits bei der Ankunft der Brüder hatte Joseph gesehen, dass Benjamin mitgekommen war (s. 1. Mo 43,16). Vielleicht hatte Joseph schon sehnlich auf die Ankunft der Brüder gewartet und insbesondere auf das Wiedersehen mit Benjamin. Als Joseph dann Benjamin gegenüberstand, wurde sein Innerstes bewegt und er zog sich zurück, da er weinen musste.
Es waren sicher Tränen der Wiedersehensfreude bei Joseph. Ob er sich wohl in den vergangenen Jahren um Benjamin gesorgt hatte, wenn er daran dachte, wie seine Brüder sich dem Jüngsten gegenüber verhalten würden? Würden sie Benjamin genauso niederträchtig behandeln, wie sie es bei ihm gemacht hatten? Nun stand sein Bruder wohlbehalten vor ihm: welche Freude und Erleichterung für Joseph! Aus dem Jungen war ein Mann geworden, der wie Joseph ein besonderer Gegenstand der Liebe des alten Jakob war. Aber noch konnte er sich seinen Halbbrüdern und Benjamin nicht zu erkennen geben, deshalb waren es Tränen im Verborgenen.
Wir können das gut nachvollziehen. Ein geliebter Mensch, vielleicht ein naher Angehöriger, begegnet uns nach vielen Jahren. Wir haben ihn seit Langem im Gebet dem Herrn gebracht und um seine Bewahrung gebetet, da wir um ihn besorgt waren – und nun steht er vor uns und die Gefühle überwältigen uns, so dass Tränen fließen.
„Und er erhob seine Stimme mit Weinen; und die Ägypter hörten es, und das Haus des Pharaos hörte es“.
Juda gab einen umfassenden Bericht und eine Begründung, warum er nicht ohne Benjamin zu seinem Vater würde zurückkehren können. Darin wird auch deutlich, dass Juda Empfindungen für seinen Vater Jakob hatte und anders dachte und handeln wollte als früher. Er befürchtete wohl, dass sein Vater den Schock nicht überleben würde, wenn sie ohne Benjamin zurückkehren würden (s. 1. Mo 42,38; 44,34). Daraufhin schickte Joseph alle hinaus, so dass er mit seinen Brüdern allein war. Bei der nun folgenden Szene sollten keine „Zaungäste“ dabei sein. Jetzt konnte sich Joseph seinen Brüdern zu erkennen geben und musste seine Tränen nicht mehr verbergen. Die Bestürzung der Brüder darüber, dass der Vizekönig Ägyptens ihr verkaufter, vielleicht tot geglaubter Bruder war, ist nur zu verständlich.
Wenn Sünder ihre Sünden bekennen, ist Freude darüber die angemessene Reaktion eines Christen, auch wenn die Sünden sich gegen ihn selbst gerichtet haben. Rachegefühle oder Gedanken wie „das geschieht ihm/ihr/ihnen nur zu Recht“ sind für gläubige Christen unangemessen. Das Vorbild unseres Herrn uns gegenüber ist diesbezüglich nur zu deutlich und sollte solche Überlegungen im Keim ersticken.
„Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte; und Benjamin weinte an seinem Hals“.
Nachdem Joseph in Liebe und Güte zu seinen Brüdern gesprochen und ihnen das Wirken Gottes vorgestellt hatte, welches auch in Josephs Stellung in Ägypten sichtbar wurde, wollte er nun, dass sein Vater Jakob auch dorthin kommen sollte. Zur Motivation des Vaters, diese lange Reise auf sich zu nehmen, sollten die Brüder und insbesondere Benjamin als Zeugen dienen (s. 1. Mo 45,12). Am Ende seiner Ausführungen fielen sich die beiden Brüder, Joseph und Benjamin, um den Hals und weinten.
Sicherlich hatten die beiden Brüder eine besondere Beziehung sowohl zum Vater als auch zueinander, da sie die beiden Söhne von Jakobs geliebter Frau Rahel waren. Die Empfindungen Josephs, die bei der Ankunft der Brüder noch verborgen waren, konnten nun einander gezeigt werden.
„Und er küsste alle seine Brüder und weinte an ihnen; und danach redeten seine Brüder mit ihm“.
Im Anschluss an diese besondere Begegnung mit Benjamin weinte Joseph auch mit all seinen anderen Brüdern. Es wird sogar ausdrücklich gesagt, dass er sie küsste. Dieses Zeichen der Zuneigung und Liebe mag erstaunen, da die Brüder Joseph in der Vergangenheit gehasst und ihm viel Leid zugefügt hatten. Aber nach dem Bekenntnis konnte die Liebe ungehindert gezeigt werden; eine Liebe zu seinen Brüdern, die längst vorher da war, aber jetzt erst offenbart werden konnte.
Es mag erstaunen, dass Benjamin am Hals Josephs weinte, nicht aber die anderen Brüder. Die Beziehung der Brüder zu Joseph war eher von Respekt und Furcht als von Bruderliebe geprägt. Darin lag ein wesentlicher Unterschied der Herzenseinstellung Josephs und seiner Brüder. Gerne dürfen wir dem Beispiel Josephs folgen: Liebe zu unseren Brüdern (und Schwestern) zu haben, auch wenn sie sich uns gegenüber nicht liebenswert verhalten (haben).
„Da spannte Joseph seinen Wagen an und zog hinauf, seinem Vater Israel entgegen nach Gosen; und als er ihn sah, fiel er ihm um den Hals und weinte lange an seinem Hals“.
Endlich war der Moment gekommen, in dem Joseph mit seinem alten Vater zusammentraf. Joseph hatte vermutlich auf ein solches Wiedersehen gehofft, doch Jakob hatte ihn für tot gehalten. Doch jetzt kam Jakob im hohen Alter von 130 Jahren mit seiner ganzen Familie aus Beerseba nach Gosen in Ägypten. Als Joseph diese Information erhielt, reiste er seinem Vater entgegen. Joseph wartete nicht, bis Jakob bei ihm angekommen wäre.
Dieses Entgegenkommen war ein Akt der Liebe, die voller Erwartung ist, den Gegenstand der Liebe schnellstmöglich zu sehen. Vielleicht kannte Joseph auch die Begebenheit von seinem Großvater Isaak, der seiner noch unbekannten Braut Rebekka entgegenging, als diese mit dem Knecht Abrahams aus Mesopotamien zu Isaak kam (s. 1. Mo 24,65).
Beim Treffen von Vater und Sohn fiel Joseph seinem Vater um den Hals und weinte lange daran. Das letzte Mal, als die beiden sich gesehen hatten, war Joseph noch ein junger Mann, der von Jakob zu seinen Brüdern geschickt wurde (s. 1. Mo 37). Nun war Joseph selbst Vater und kein Hirtenjunge mehr, sondern ein hochgeachteter Mann im Pharaonenreich Ägypten. Er musste auch nicht mehr laufen, sondern wurde auf einem (vermutlich sehr prächtigen) Wagen gefahren. Doch all diese Äußerlichkeiten verblassten, als sich Vater und Sohn begegneten. Die Tränen Josephs und der Ausspruch Jakobs („Nun kann ich sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, dass du noch lebst!“) zeugen von der liebevollen Innigkeit dieser Begegnung.
„So sollt ihr zu Joseph sprechen: Ach, vergib doch die Übertretung deiner Brüder und ihre Sünde! Denn sie haben dir Böses angetan. Und nun vergib doch die Übertretung der Knechte des Gottes deines Vaters! Und Joseph weinte, als sie zu ihm redeten“.
Schließlich starb Jakob. Seine Söhne machten sich nun Sorgen, ob Joseph sich nicht doch noch an ihnen rächen würde, da sie ihm doch so viel Böses angetan hatten. Sie baten Joseph noch einmal um Vergebung ihrer Sünden. Das taten sie scheinbar auf Anweisung ihres bereits gestorbenen Vaters, obwohl wir zu Lebzeiten Jakobs nichts von einer solchen Anweisung lesen. Jedenfalls weinte Joseph, als sie so zu ihm redeten.
Vielleicht waren es bei Joseph Tränen der Enttäuschung über den mangelnden Glauben und das fehlende Vertrauen der Brüder bezüglich seiner Zusagen. Er hatte ihnen doch vergeben. Wie konnten sie denken, dass er nach dem Tod des Vaters anders handeln würde, als er es ihnen versprochen hatte? Die Brüder sahen sich als schuldige Knechte gegenüber ihrem Bruder; sie hätten vermutlich so gehandelt, wie sie es Joseph hier unterstellten. Aber Joseph liebte seine Brüder – und er sah den großen Plan Gottes hinter den Ereignissen. So tröstete Joseph am Ende seine Brüder und „redete zu ihrem Herzen“ (1. Mo 50,21).
In sehr vielen Situationen des biblischen Berichts (s. 1. Mo 37-50) ist Joseph ein Vorausbild auf den Herrn Jesus. Die Parallelen sind teilweise so offensichtlich, dass man sie gar nicht übersehen kann. In den obigen Beispielen sehen wir einen Joseph, der Tränen vergoss, wie auch unser Herr Jesus (s. z. B. Joh 11,35). Doch (wie auch Joseph) weinte der Herr Jesus nicht so sehr über Ihm zugefügtes Leid, obwohl Er es reichlich erfahren hatte, oder wegen Enttäuschungen durch seine Jünger, die Ihm besonders nahestanden. Nein, der Herr weinte und
war innerlich bewegt, wenn Er zum Beispiel die Folgen der Sünde (den Tod) und die darauffolgende Trauer bei den Menschen sah. Das hat Ihn tief bewegt: Ihn, der das Leben ist und der gekommen war, um verlorenen Menschen ewiges Leben anzubieten. Mögen wir uns Joseph und natürlich erst recht den Herrn Jesus zum Vorbild nehmen und nicht das Verhalten der Brüder Josephs.
Marco Steih
Nach Jahren des Elends konnte Joseph Gott verherrlichen. Das drückt sich sehr schön in den Namen seiner Söhne aus.
Dem Erstgeborenen gab er den Namen Manasse = Denn Gott hat mich vergessen lassen all meine Mühsal und das ganze Haus meines Vaters.
Und dem Zweiten gab er den Namen Ephraim = Denn Gott hat mich fruchtbar gemacht im Land meines Elends.
Erlebte Befreiung aus Elend und familiärer Segen nach Gottes Wohlgefallen werden auch uns wieder zum Lob Gottes führen.
Preise den Herrn, meine Seele, und all mein Inneres
seinen heiligen Namen!
Fußnoten:
Das bedeutet nicht, dass Joseph niemals traurig war. Es bedeutet auch nicht, dass wir in schwierigen Situationen nicht traurig sein dürften. Und doch erwähnt der biblische Bericht in all den schwierigen Jahren keine Tränen im Leben Josephs. Wenn es dann jedoch um die Brüder geht, lesen wir siebenmal davon, dass Joseph weinte.
„Wenn ich auch schreie und rufe, so hemmt er mein Gebet.“
„Du hast dich in eine Wolke gehüllt, so dass kein Gebet hindurchdrang.“
Gott erhört gerne unsere Gebete. In Matthäus 7,7.8 finden wir seine Zusage: „Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden. Denn jeder Bittende empfängt, und der Suchende findet, und dem Anklopfenden wird aufgetan werden.“ Wer mit seinen Bitten aufrichtig und im Glauben zu Gott kommt, wird nicht enttäuscht werden. Gott ist ein Hörer und Erhörer des Gebets (s. Ps 65,3).
Und doch zeigt die Erfahrung, dass viele unserer Gebete nicht erhört werden. Dabei müssen wir natürlich bedenken, dass Gottes Gedanken immer höher sind als unsere Gedanken (s. Jes 55,9). Gott überschaut unser ganzes Leben und verfolgt mit allem, was uns im Leben widerfährt, seine weisen Absichten (s. Röm 8,28). Manches, um das wir bitten, würde vielleicht keinen Segen hervorbringen oder wäre (langfristig) sogar zu unserem Schaden. Darum muss Er uns in seiner Weisheit und Liebe manchmal Bitten verwehren. Doch es kann auch an uns liegen, wenn unsere Gebete nicht erhört werden.
In der Bibel finden wir verschiedene Gründe, warum Gott unsere Gebete manchmal nicht erhören kann. Nachfolgend seien einige genannt:
In der Bibel finden wir auch Beispiele von Menschen, deren Gebete nicht erhört wurden. Nachfolgend seien einige aufgeführt:
„Und in jener Zeit flehte ich zu dem Herrn und sprach: Herr, Herr, du hast begonnen, deinem Knecht deine Größe und deine starke Hand zu zeigen! Denn welcher Gott ist im Himmel und auf der Erde, der gleich deinen Werken und deinen Machttaten tun könnte? Lass mich doch hinüberziehen und das gute Land sehen, das jenseits des Jordan ist, dieses gute Gebirge und den Libanon. Aber der Herr war über mich erzürnt um euretwillen und hörte nicht auf mich; und der Herr sprach zu mir: Lass es genug sein; rede mir fortan nicht mehr von dieser Sache!“
Mose hatte den innigen Wunsch, zusammen mit dem Volk in das verheißene Land zu ziehen. Dafür flehte er mehrmals zum Herrn. Doch wegen seiner Sünde in Meriba, wo er den Felsen entgegen der Anweisung Gottes zweimal geschlagen hatte, gewährte Gott ihm diesen Herzenswunsch nicht (s. 4. Mo 20,7-13).
Dieses nicht erhörte Gebet war für Mose wohl die bitterste Pille seines Lebens. Wie viele Strapazen hatte er durchgestanden, wie viele Leiden ertragen und welche Hoffnungen hatte er im Blick auf das verheißene Land gehegt. Alle diese Hoffnungen hatten sich zerschlagen. Gott gewährte ihm diesen innigsten Herzenswunsch nicht. Doch vom Berg Pisga aus durfte er vor seinem Tod noch einen Blick auf das ganze Land werfen (s. 5. Mo 34,1-4).
Schließlich begegnen wir ihm noch einmal auf dem Berg der Verklärung, wo er zusammen mit dem Herrn in Herrlichkeit erschien und dessen Ausgang besprach, den Er in Jerusalem erfüllen sollte (s. Lk 9,30.31). So hat Gott auf eine höhere Weise doch noch auf das Gebet seines Knechtes geantwortet.
„Er selbst aber ging in die Wüste, eine Tagereise weit, und kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch. Und er bat, dass er sterben dürfe, und sprach: Es ist genug; nimm nun, Herr, meine Seele, denn ich bin nicht besser als meine Väter“.
Nach seinem beeindruckenden Glaubenssieg auf dem Berg Karmel wurde Elia von Isebel, der gottlosen Frau Ahabs, mit dem Tod bedroht. Als er das hörte, bangte er um sein Leben und floh in die Wüste. Dort setzte er sich entmutigt unter einen Ginsterstrauch und bat darum, sterben zu dürfen. Doch dieses Gebet, das einem resignierten und niedergeschlagenen Herzen entsprang, wurde nicht erhört. Stattdessen kam ein Engel, der den Propheten mit Kuchen und Wasser stärkte. Und schließlich wurde Elia am Ende seines Lebens ohne zu sterben in den Himmel entrückt (s. 2. Kön 2,11).
„Und damit ich mich nicht durch das Übermaß der Offenbarungen überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, damit er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe. Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, damit er von mir abstehen möge. Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“.
Um Paulus wegen der vielen Offenbarungen, die er empfangen hatte, vor Überheblichkeit zu bewahren, wurde ihm von Gott ein Dorn für das Fleisch gegeben – ein Engel Satans, der ihn mit Fäusten schlug. Darüber flehte er dreimal zum Herrn, damit Er ihm diesen Dorn wegnehme. Doch der Herr gewährte ihm diese Bitte nicht, sondern verwies ihn auf die unerschöpfliche Gnade, die ihm zur Verfügung stand: Seine Gnade würde ihm für alles genügen. Paulus musste lernen, dass die Kraft Gottes in Schwachheit vollbracht wird – und wir müssen es auch. Schließlich konnte er sogar sagen, dass er Wohlgefallen an Schwachheiten hatte (s. 2. Kor 12,10). Auch wenn sein Gebet nicht erhört wurde, so hatte Gott es doch gut gemacht!
„Und er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir weg! Doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Mk 14,36).
„Und er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir weg! Doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“.
Im Garten Gethsemane sehen wir den Herrn in ringendem Gebetskampf. Dort stand Ihm die ganze Schrecklichkeit dessen vor Augen, was Ihn am Kreuz in den drei Stunden der Finsternis erwarten würde. Als der Heilige und Reine konnte Er nicht wünschen, zur Sünde gemacht zu werden. Darum bat Er, dass der Kelch des Zornes Gottes an Ihm vorübergehe: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Doch der Herr wusste, dass dies nicht möglich war und diese Bitte nicht erhört werden konnte. Darum fügte Er sogleich hinzu: „Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). Anbetungswürdiger Herr, der bereit war, den Kelch des göttlichen Gerichts aus der Hand des Vaters anzunehmen, und mit seinem Kreuzestod die Grundlage für jeden Segen legte!
Daniel Melui
Ohne Gebet kann der Christ nicht wirklich zur Ehre seines Herrn leben – das wissen wir. Das Gebet wird zu Recht das „Atemholen der Seele“ genannt. Es ist die Kraftquelle für ein Leben, das Gott ehrt!
Hat nicht vielfach die Kraft- und Freudlosigkeit unter wahren Christen in mangelndem Umgang mit Gott ihren Grund? Führen wir noch täglich ein Gebetsleben? Sicher, wenn Nöte in unserem Leben auftreten, suchen wir das Angesicht des Herrn, gehen „in die Heiligtümer Gottes“ (Ps 73,17). Wir erinnern uns dann gern an die Aufforderung unseres Herrn: „Rufe mich an am Tag der Bedrängnis: Ich will dich erretten, und du wirst mich verherrlichen!“ (Ps 50,15).
Aber wie sieht es bei uns in Tagen äußerer Ruhe aus? Wie schnell vergessen wir, dass der Feind der Seele in seiner List nur eine Gelegenheit sucht, uns in irgendeiner Weise zu Fall zu bringen! Denn „unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ (Eph 6,12). Deshalb sollen wir beständig die „geistliche Waffenrüstung“ tragen, zu der auch das anhaltende Gebet gehört. Wir werden nachdrücklich aufgefordert: „… zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geist …“ (Eph 6,18).
Unser Herr Jesus Christus ist das nachahmenswerteste Vorbild, auch hinsichtlich des Gebets. Lesen wir, wie der Herr den Tag begann: „Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus; und er ging hin an einen öden Ort und betete dort“ (Mk 1,35).
War Jesus Christus nicht ein Mensch wie wir, der die Ruhe des Schlafes benötigte im Blick auf die auf Ihn wartenden vielfältigen Aufgaben eines jeden Tages? Ganz sicher! Ja, unser Herr war wirklich Mensch, aber zugleich „Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5).
Als Er durch Samaria zog, war Er „ermüdet von der Reise“ und setzte sich an einer Quelle nahe Samaria nieder; während einer Überfahrt über den See Genezareth schlief Er im Schiff auf einem Kopfkissen (s. Joh 4,6; Mk 4,38).
Wir bewundern seine Energie, frühmorgens, „als es noch sehr dunkel war“, aufzustehen, um an einem Ort, wo Ihn niemand stören konnte, mit seinem Gott und Vater allein zu sein. Betend begann Er den Tag – betend durchschritt Er ihn. Ja, Er war „stets im Gebet“ (Ps 109,4).
Wir schwachen, abhängigen Menschen haben sicher viel mehr Veranlassung, jeden neuen Tag mit Gebet zu beginnen, indem wir unser Herz in Flehen, Gebet, Fürbitten und mit Danksagung vor Ihm ausschütten. Alle unsere Sorgen dürfen wir dann auf Ihn werfen, denn Er ist besorgt für uns (s. 1. Tim 2,1; 1. Pet 5,7).
Daniel, der Prophet, war ein von Gott besonders gesegneter Mann, ein Mann, den Gott gebrauchen konnte. Sein Vorbild ist beispielhaft für uns: „… dreimal am Tag kniete er auf seine Knie und betete und lobpries vor seinem Gott“ (Dan 6,11). Auch er handelte nach dem Psalmwort: „Früh [wörtl.: am Morgen] wirst du, Herr, meine Stimme hören, früh werde ich dir mein Anliegen vorstellen und harren“ (Ps 5,4). Welche Erfahrungen hat dieser Mann des Gebets gemacht und zu unserer Belehrung weitergegeben!
Lernen wir doch wieder neu den Segen eines betenden Umgangs mit unserem Gott in der Frühe kennen, um dann auch in Gemeinschaft mit Ihm betend durch den Tag zu gehen. Den göttlichen Segen werden wir spürbar erleben!
So wollen wir die biblische Aufforderung beherzigen: „Im Gebet haltet an“ (Röm 12,12).
Die gläubige Lehrerin Anny Wienbruch (1899-1976) berichtet beispielhaft von einer Mutter mehrerer Kinder, deren Tochter Eva ihre Schülerin war:
In den Nachkriegsjahren gab es so manche Not für diese junge Frau zu bewältigen. Ich bewunderte die Mutter dieser Kinder, die sie so sauber, äußerlich wie innerlich, zur Schule schickte und dabei für ihre große Familie nur zwei Dachzimmer zur Verfügung hatte.
Nun saß diese fröhliche Frau am Elternsprechtag vor mir. Ich sagte ihr ein paar lobende Worte über die kleine Eva, und dann konnte ich nicht anders: Ich musste ihr auch einige lobende Worte über sie selbst mit auf den Weg geben. Trost und Ermunterung brauchte diese kleine Frau, die ihr Leben so tapfer meisterte, nicht von mir. Ich fragte sie staunend: ‚Wie schaffen Sie eigentlich ihre viele Arbeit?‘ Sie lachte mich an und erwiderte: ‚Ich habe einmal etwas gelesen. Ich lese nämlich schrecklich gern …‘ ‚Was haben sie denn gelesen, das Ihnen so hilft?‘, erkundigte ich mich. Ihre Augen blitzten so lustig auf, wie ich es schon bei ihren Kindern beobachten konnte. ‚Ich habe also gelesen, dass Martin Luther, wenn er eine besonders schwere Arbeit zu tun hatte, vorher besonders lange gebetet hat. Nun, ich habe keine Zeit, mich wie er stundenlang zum Gebet einzuschließen. Ich wüsste auch nicht, wo ich ungestört bleiben könnte. Aber immer, wenn mir die Arbeit zu viel wird, so sage ich mitten im Schaffen: ‚Einmal mehr die Hände gefaltet!‘ Dann geht es. Und so ist es mir auch bisher immer gelungen, durchzukommen.‘ Ebenso munter, wie sie aufgetaucht war, verabschiedete sich die junge Mutter. In mir blieben ihre tapferen Worte zurück: ‚Einmal mehr die Hände gefaltet!‘“
Fassen auch wir den festen Entschluss: „Einmal mehr die Hände gefaltet!“ Gottes Segen wird nicht ausbleiben. Das ist ganz sicher!
Friedhelm Müller
Freut euch allezeit; betet unablässig; danksagt in allem, denn dies ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.
Es gibt Entscheidungen, die treffen wir eher intuitiv (z. B. die Vollbremsung in einer kritischen Verkehrssituation) oder sie fallen uns leicht (z. B. die Auswahl der Marmeladensorte im Supermarkt). Es gibt aber auch Entscheidungen, über die wir länger nachdenken müssen – vielleicht aufgrund der Tragweite oder der Optionen. Und manchmal zweifeln wir auch bereits getroffene Entscheidungen später noch einmal an.
Entscheidungsprozesse sind auch für Christen nicht immer einfach, doch Gottes Wort schenkt uns gute Hilfestellungen wie das Beispiel des Propheten Jeremia.
„Und der Oberste der Leibwache ließ Jeremia holen und sprach zu ihm: Der Herr, dein Gott, hat dieses Unglück über diesen Ort geredet; und der Herr hat es kommen lassen und hat getan, wie er geredet hatte; denn ihr habt gegen den Herrn gesündigt und auf seine Stimme nicht gehört, und so ist euch dieses geschehen. Und nun siehe, ich löse dich heute von den Ketten, die an deinen Händen sind; wenn es gut ist in deinen Augen, mit mir nach Babel zu kommen, so komm, und ich werde mein Auge auf dich richten; wenn es aber übel ist in deinen Augen, mit mir nach Babel zu kommen, so lass es. Siehe, das ganze Land ist vor dir; wohin es gut und wohin es recht ist in deinen Augen zu gehen, dahin geh. Und da er sich noch nicht entschließen konnte, sprach er: So kehre zurück zu Gedalja, dem Sohn Achikams, des Sohnes Schaphans, den der König von Babel über die Städte Judas bestellt hat, und wohne bei ihm inmitten des Volkes; oder wohin irgend es recht ist in deinen Augen zu gehen, dahin geh. Und der Oberste der Leibwache gab ihm Wegzehrung und ein Geschenk und entließ ihn. Und Jeremia kam zu Gedalja, dem Sohn Achikams, nach Mizpa; und er wohnte bei ihm inmitten des Volkes, das im Land übrig geblieben war“.
Als der babylonische König Nebukadnezar 586 v. Chr. Jerusalem einnimmt, sitzt der Prophet Jeremia schon länger im Gefängnis. Dorthin hatten die Fürsten Judas ihn gebracht, weil sie seine Warnungen vor dem Gericht Gottes nicht mehr hören wollten. Jeremia hatte Gott über vierzig Jahre lang treu gedient und viel Widerstand durch das eigene Volk erfahren. Jetzt muss er mit Schmerz ansehen, wie Jerusalem und der Tempel zerstört werden und der größte Teil des Volkes gefangen weggeführt wird.
Doch plötzlich öffnet sich die Gefängnistür! Nebusaradan, der Oberste der babylonischen Leibwache, lässt ihn zu sich holen. Er macht Jeremia, der noch in Ketten gebunden ist, ein attraktives Angebot: Er soll unter seinem Schutz mit nach Babel gehen und dort in der persönlichen Gunst Nebukadnezars leben, des damals mächtigsten Mannes der Welt. Soll er das Angebot annehmen, oder soll er im Land bleiben? Die Aussage: „Und da er sich noch nicht entschließen konnte … [eig.: sich noch nicht dahin oder dorthin wenden wollte]“, zeigt, dass Jeremia keine einfache Entscheidung vor sich hat.
Beim Abwägen des „Für und Wider“ hätten ihm vielleicht folgende Gedanken durch den Kopf gehen können. Dabei wollen wir nicht spekulieren, sondern einfach darüber nachdenken, wie wir möglicherweise gedacht hätten, wenn wir an Jeremias Stelle gewesen wären:
So nachvollziehbar diese Gedanken klingen mögen, es wären eigene (und egoistische) Gedanken gewesen. Dass solche Gedanken Ausdruck des „Starrsinns des bösen Herzens“ sind, hatte Jeremia dem Volk selbst gepredigt (s. Jer 18,12). Für ihn sollen allein Gottes Gedanken maßgeblich für seine Entscheidung sein, denn er weiß, dass es „Gedanken des Friedens und nicht zum Unglück“ sind (Jer 29,11).
Die Rede Nebusaradans hört sich freundlich an und die Bibel liefert uns auch keine Anhaltspunkte, die auf schlechte Motive hindeuten. Dennoch enthält sie Elemente, die uns als Gläubige hellhörig werden lassen müssen, wenn wir sie aus dem Mund eines Ungläubigen hören:
Als „Mann Babels“ konnte Nebusaradan unmöglich einen guten geistlichen Rat geben. Die Überlegungen des gottesfürchtigen Propheten Jeremia, der den Willen seines Gottes erkennen wollte, konnte er gar nicht nachvollziehen. Und gerne möchte der Teufel die – vielleicht menschlich logischen – Vorschläge von Menschen wie Nebusaradan benutzen, um die Entscheidungen der Gläubigen zu seinen Gunsten zu manipulieren. Er spricht gerne unsere alte Natur an, mit dem Ziel, dass wir Gott ungehorsam sind. Wir wollen – wie Jeremia – wachsam sein gegenüber solchen Einflüssen.
Wir wissen nicht genau, wann Jeremia seine Entscheidung getroffen hat. Zunächst konnte er sich jedenfalls nicht entschließen. Das führte dazu, dass das Angebot, nach Babel zu ziehen, nicht länger bestehen blieb. Nebusaradan schickte ihn zu Gedalja nach Mizpa. Nach wie vor blieb Jeremia aber frei, sich für einen Wohnort seiner Wahl im Land zu entscheiden.
Das macht uns noch einmal klar, dass wir niemals vorschnell eine Entscheidung treffen sollten. Wenn wir unsicher sind und keine Klarheit über Gottes Willen in einer Sache haben, sollten wir uns nicht davon leiten lassen, gegebenenfalls eine „gute“ Möglichkeit zu verlieren. Wir müssen nicht unnötig zaudern, aber bei fehlender Klarheit ist es besser, zu warten, auch wenn dabei die Optionen weniger zu werden scheinen.
Am Anfang von Vers 6 heißt es dann: „Und Jeremia kam zu Gedalja, dem Sohn Achikams, nach Mizpa …“ Auch das gibt uns wertvolle Hinweise:
Wenn wir vor schweren Entscheidungen stehen, dürfen wir uns im Bewusstsein der Hilfe unseres Gottes und Vaters „zurückziehen“, um Ihm die Dinge im Gebet zu bringen und Ihn um Klarheit für unsere Entscheidungen zu bitten. Wir dürfen auch dankbar sein, wenn Er uns Gläubige zur Seite stellt – Ehepartner, Eltern, Freunde, ältere Geschwister –, die uns Rat geben können.
Ungefähr ein Jahr vorher – Jeremia saß im Gefängnis – beauftragte Gott ihn, ein Feld in seiner Heimatstadt Anatot zu kaufen (s. Jer 32,1-15). In erster Linie wollte Gott ihm zeigen, dass sein Volk wieder aus der Gefangenschaft zurückkehren würde. Aber wir können darin auch einen Hinweis für ihn persönlich sehen. Hätte Gott ihn das tun lassen, wenn Er gewollt hätte, dass Jeremia das Land verlässt? Gott gibt uns manchmal im Vorfeld zukünftiger Entscheidungen Hinweise, die wir in diesem Moment noch nicht verstehen. Aber sie helfen uns dann, wenn es so weit ist.
Irgendwann traf Jeremia seine Entscheidung: „… und er wohnte bei ihm inmitten des Volkes, das im Land übrig geblieben war“ (V. 6). Er hatte erkannt, dass Gott nicht wollte, dass er nach Babel ging, sondern dass er im Land eine Aufgabe hatte, und zwar unter den „Geringen“ des Volkes (s. 2. Kön 24,14). Und er blieb bei dem treuen Mann Gedalja in Mizpa und suchte sich keinen anderen Wohnort im Land. Er entschied sich klar für den Willen Gottes, auch wenn es eine Entscheidung mit unbequemen Folgen war, die nicht die Anerkennung der Menschen fand. Aber sie entsprach Gottes Gedanken; das allein zählte.
Wenn wir uns die weitere Geschichte Jeremias anschauen, können wir uns vorstellen, dass er später vielleicht öfters über diese Entscheidung nachgedacht hat. Dabei konnten die weiteren Ereignisse seines Lebens Anlass für Zweifel sein:
Führten diese Schwierigkeiten dazu, dass Jeremia seine Entscheidung infrage stellte? Nein, im Gegenteil: Auch in Ägypten kam er nicht darüber ins Wanken und diente Gott weiter unter dem Volk.
Wenn wir nach einer getroffenen Entscheidung auf Komplikationen stoßen, neigen wir dazu, sie anzuzweifeln. Schwierigkeiten sind aber nicht zwingend ein Indikator für eine falsche Entscheidung (ein „glatter Verlauf“ aber auch nicht unbedingt für eine richtige). Wenn wir sie – so wie wir es bei Jeremia sehen – mit Gott getroffen haben, dürfen wir sicher sein, dass Er uns auch durch auftretende Probleme hindurchträgt.[2]
Zu Beginn seines Dienstes hatte Gott Jeremia zugesagt: „Und sie werden gegen dich kämpfen, aber dich nicht überwältigen; denn ich bin mit dir, spricht der Herr, um dich zu erretten“ (Jer 1,19). Das hatte ihm geholfen, menschliche Denkweisen und gefährliche Einflüsse im Entscheidungsprozess zu überwinden. Er hatte Gottes Entscheidungshilfen genutzt und sich auch in den Schwierigkeiten nicht erschüttern lassen. Sein Beispiel zeigt uns, dass wir als Christen die besten Voraussetzungen haben, mit unserem Gott und Vater mutig Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen dabei nicht zaghaft zu sein.
Henning Panthel
Oft haben wir gesonnen,
ob wir es recht gemacht -
was wir mit Dir begonnen
hast Du zum Ziel gebracht.
Fußnoten:
Das bedeutet nicht, dass wir einmal getroffene Entscheidungen niemals vor Gott hinterfragen sollten.
Die Geschichte Moses und seiner Eltern ist schon etwa 3.500 Jahre alt. Aber sie ist immer noch aktuell! Mose wurde in einer Zeit geboren, in der sich das Volk Gottes in einer sehr schwierigen Lage befand. Und doch wurde er nicht nur geboren, sondern auch auferzogen für den Herrn. Natürlich ist die Ausgangssituation heute anders als damals in Ägypten, und doch gibt es manche Parallelen und es erscheint auch heute zunehmend herausfordernd, Kinder für den Herrn Jesus zu erziehen. Um Mut zu fassen, es dennoch mit Gottes Hilfe zu tun, erinnern wir uns an einige hilfreiche Aspekte aus dieser alten Geschichte.
„In dieser Zeit wurde Mose geboren, und er war schön für Gott; und er wurde drei Monate im Haus des Vaters aufgezogen“.
Nicht umsonst betont der Bibeltext, der die Rede von Stephanus berichtet, den Hinweis auf „diese Zeit“. Es war eine Zeit, in der das Volk Gottes in Ägypten sehr stark unterdrückt wurde. Es gab den Befehl des Pharaos, alle neugeborenen Söhne in den Nil zu werfen, damit sie sterben. In dieser Zeit lebten Amram und Jokebed, die Eltern Moses. Sie hatten schon zwei gesunde Kinder, einen Jungen und ein Mädchen (Aaron und Mirjam). Und doch hatten sie den Mut, sich ein weiteres Kind von Gott schenken zu lassen. Es war gerade dieses Kind, das Gott später gebrauchen wollte, um sein Volk aus Ägypten zu befreien.
Auch heute mag es schwer erscheinen, Kinder für den Herrn Jesus zu erziehen. Trotzdem wollen wir nicht den Mut verlieren. Es gab damals einen Weg und es gibt auch heute einen Weg. Kinder sind eine Gabe von Gott (s. Ps 127,3), aber es gibt Eltern, die sich (mehr) Kinder wünschen und (noch) keine bekommen.
Das ist eine Situation, die nicht einfach ist und die auch zu einer Belastung für die Ehe werden kann. Solltet ihr in einer solchen Situation sein, dann wünsche ich euch von Herzen Kraft und Mut, euch nicht wertlos zu fühlen, sondern auch das aus Gottes Hand anzunehmen und glücklich zu sein in den Aufgaben, die der Herr euch gibt.
Doch vielleicht steht ein Ehepaar auch vor der Frage, überhaupt oder mehr Kinder zu bekommen. Dann möchte ich Mut machen, denn es gibt auch heute einen Weg für die Kinder, die der Herr schenkt! Wie schade wäre es, wenn Bequemlichkeit, der notwendige Verzicht auf Annehmlichkeiten für sich selbst oder die Sorge vor der negativen Entwicklung im Umfeld, in dem Kinder aufwachsen, zu einem Grund würden, keine Kinder (mehr) bekommen zu wollen.
„Durch Glauben wurde Mose, als er geboren war, drei Monate von seinen Eltern verborgen, weil sie sahen, dass das Kind schön war; und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht“.
Nun hatte Gott Amram und Jokebed einen weiteren Sohn geschenkt. Sie wussten, dass sie ihn verbergen mussten und dass ihnen nicht viel gemeinsame Zeit mit dem Kind blieb. Sie wussten nicht, wie es weitergehen würde, aber sie nutzten die Zeit gut aus.
Dabei fällt uns auf, dass im Bericht in 2. Mose 2 die Mutter erwähnt wird, in der Rede von Stephanus in Apostelgeschichte 7 der Vater und in Hebräer 11 die Eltern. Mutter und Vater haben also gut harmoniert im Blick auf die Beurteilung ihres Kindes, die Beurteilung der Situation und die Entscheidung über das, was zu tun war.
„Und als sie ihn nicht länger verbergen konnte, nahm sie für ihn ein Kästchen von Schilfrohr und verpichte es mit Erdharz und mit Pech und legte das Kind hinein und legte es in das Schilf am Ufer des Stromes“.
In diesem guten Miteinander haben sie die Zeit weise genutzt, die dann jedoch zu Ende ging. Wir erfahren die genauen Gründe nicht, aber Gottes Wort sagt, dass es nicht länger möglich war, das Kind zu verbergen. Zwei Gedanken lernen wir in Verbindung damit.
Einmal sorgten die Eltern dafür, dass das Kind so lange wie möglich bei ihnen bleiben konnte. Zum anderen sorgten sie dafür, dass es danach nicht ohne Schutzmaßnahmen aus dem Elternhaus entlassen wurde.
Den ersten Punkt müssen auch wir sehr ernst nehmen. Es gibt eine Zeit, in der die Kinder gerne und ohne Widerstand das aufnehmen, was die Eltern ihnen erzählen und weitergeben. Diese Zeit will gut genutzt werden! Denn irgendwann kommt in unserem Land aufgrund der Schulpflicht die Notwendigkeit, sie in die Schule zu schicken.
Doch warum sollten wir die Kinder früher als nötig aus dem Haus entlassen? Wie gut ist es, wenn wir sie so lange wie möglich vor den schädlichen Einflüssen der Welt schützen und im Elternhaus in einer guten Atmosphäre stärken und ausrüsten für das, was einmal kommt, wenn die Schule beginnt.
Der zweite Punkt wird in dem Kästchen von Schilfrohr illustriert, das Jokebed mit Erdharz abdichtete. Es kam der Augenblick, da musste Mose dem Nil übergeben werden. Dieser Fluss war die Lebensader Ägyptens und garantierte die Fruchtbarkeit dieses Landes, das hier ein Bild der Welt ist, die Gott und seinem Volk feindlich gegenübersteht. In diesem Fluss badete die Tochter des Pharaos, sie fand dort Erfrischung und Vergnügen. Doch dieser Fluss hätte für den kleinen Mose den sicheren Tod bedeutet.
Um diese Gefahren wusste Jokebed, doch sie wusste auch, wie sie ihren kleinen Sohn schützen konnte. Sie kannte und besorgte passendes Material, durch das sichergestellt werden konnte, dass das Kind nicht untergehen würde (Schilfrohr) und ausreichend vor dem Wasser geschützt war (Erdharz).
Indem sie dieses Kästchen baute, tat sie alles, was sie tun konnte. Alles Weitere musste und konnte sie Gott überlassen. Und wie erstaunlich hat Er geholfen!
Auch wir haben die Aufgabe, unsere Kinder so gut wie möglich vor den Einflüssen der Welt zu schützen und sie für den Herrn zu erziehen. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass wir Grenzen haben. Aber wir wollen Mut fassen, alles zu tun, was in unseren Möglichkeiten steht! Alles Weitere können wir dann zuversichtlich Gott überlassen, der auch uns und unseren Kindern zu Hilfe kommen wird.
„Und seine Schwester sprach zu der Tochter des Pharaos: Soll ich hingehen und dir eine stillende Frau von den Hebräerinnen rufen, dass sie dir das Kind stille?“.
Es gab nicht nur das Kästchen zum Schutz für Mose. Auch Mirjam war da, die von fern zusah. Als die Tochter des Pharaos das weinende Kind fand, trat sie mutig hinzu, um einen guten Vorschlag zu machen.
Auch wenn es hier nicht direkt die Eltern waren, die aktiv wurden, können wir doch den Mut und die gute Idee Mirjams für uns als Eltern als Ansporn nehmen. Bringen wir uns mutig ein, wenn es zum Beispiel in der Schule die Möglichkeit gibt, Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung zu nehmen? Dann wird der Herr uns auch Ideen geben, die schließlich zum Schutz unserer Kinder nützlich sein können.
Natürlich muss Er die Herzen der Lehrkräfte lenken, aber Er erwartet auch von uns, dass wir uns entsprechend unseren Möglichkeiten für den Schutz und das Wohl unserer Kinder einsetzen. Dabei geht es sicher nicht um Diskussionen, die zu einer besseren Benotung führen sollen, sondern um den Einsatz, der zum Schutz und zur Bewahrung vor schädlichen Einflüssen führen kann.
„Als er aber ein Alter von vierzig Jahren erreicht hatte, kam es in seinem Herzen auf, sich nach seinen Brüdern, den Söhnen Israels, umzusehen“.
Auch wenn Mose von diesem Moment an am Hof des Pharaos erzogen wurde und dort sowohl alle Annehmlichkeiten als auch alle Bildung der Welt kennenlernte, war doch in seinem Herzen etwas eingepflanzt, das Wirkung zeigte. In seinem Herzen kam der Wunsch auf, nach seinen Brüdern zu sehen.
Auch wenn noch weitere vierzig Jahre in der Schule Gottes nötig waren, konnte Gott doch gerade diese Liebe im Herzen Moses nutzen. Aus seinem Herzen heraus konnte Mose die richtige Wahl treffen. Er zog es vor, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden und verzichtete dafür auf die Schätze Ägyptens (s. Heb 11,25.26). Waren nicht genau dafür die Grundlagen im Elternhaus gelegt worden?
Bis heute will der Herr uns als Eltern helfen, das in die Herzen unserer Kinder zu pflanzen: Liebe zu Gott, Liebe zum Volk Gottes, den Blick auf die Belohnung und festen Glauben in jeder Lebenssituation. Das wollen wir ihnen vorleben und mitgeben. Es ist viel wichtiger als alles andere, was wir ihnen vermitteln und weitergeben können.
Christian Rosenthal
Über Habakuk wird faktisch kaum etwas gesagt. Nichts zu seiner Abstammung, nichts zu der Zeit seines Wirkens und seinem Wohnort. Doch dieser Prophet öffnet sein Herz, ganz in der Bedeutung seines Namens: „Umarmer“. Und er ist mit seinen Botschaften uns allen ganz persönlich, aber auch allen Eltern, in mehrfacher Hinsicht ein Vorbild.
In Kapitel 1,13 macht Habakuk deutlich, dass Gott heilig ist („Du bist zu rein von Augen, um Böses zu sehen“). In Kapitel 3,13 zeigt er, dass Gott barmherzig ist („Du zogst aus zum Heil deines Volkes“). Auch wir dürfen unseren Kindern die göttliche Harmonie zwischen Gnade und Wahrheit vermitteln, die in dem Herrn Jesus auf vollkommene Weise deutlich wird, denn Er ist „voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Schon Psalm 85,11 macht das prophetisch deutlich: „Güte und Wahrheit sind sich begegnet, Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst.“ Unser himmlischer Vater sieht über Sünde und Fehlentwicklungen nicht hinweg. Er muss das Böse richten. Aber Er bietet immer Gnade an und handelt immer in Liebe mit seinen Kindern. Das ist für uns als Eltern eine gute Richtschnur für eine ausgewogene Erziehung, gleichzeitig aber auch eine tägliche Herausforderung.
Die Aussage Habakuks: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4), wird in den Briefen des Apostels Paulus dreimal zitiert und jedes Mal mit einer anderen Betonung[1]:
Alle drei Aspekte sind Kernbotschaften für den Gläubigen und es ist wichtig, dass wir diese unseren Kindern schon früh vermitteln. Das auf dem Gesetz basierende Judentum ist durch lebendiges Christentum ersetzt worden. Das Leben im Glauben, welches durch Dankbarkeit für die Gnade Gottes geprägt ist, bewahrt uns vor Gesetzlichkeit und Formalismus. Das wird sich auch auf die Erziehung unserer Kinder auswirken.
Die Verse in Kapitel 2,3.14 sowie 3,3.4. und andere machen deutlich, dass Habakuk über das Zeitliche hinaus auf das Zukünftige ausgerichtet wird und diese Ausrichtung durch Gott auch annimmt. Der dritte Vers aus Kapitel 2 wird in diesem Sinn in Hebräer 10,37 aufgegriffen und dort auf schöne Weise verändert: „Denn noch eine ganz kleine Zeit, und ‚der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben.’“ Wir besitzen die Hoffnung auf das Kommen des Herrn Jesus. Wie wichtig ist es, dass wir in unseren Familien diese Lebenshaltung vermitteln. Unsere Ausrichtung ist geprägt durch die Gewissheit: „Wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1. Joh 3,2), „dann aber von Angesicht zu Angesicht“ (1. Kor 13,12). Was für eine herrliche Perspektive haben wir im Gegensatz zu denen, „die keine Hoffnung haben“ (1. Thes 4,13). Diese stärkt ein Leben als Christ mit Zielen, die über unsere Zeit hier auf der Erde hinausgehen (s. Phil 3,13.14).
In Kapitel 2,19 richtet sich Habakuk mit einem „Wehe dem“ an diejenigen, die sich um Hilfe an ihre Götzen wenden. Das Volk Israel hatte sich oft versündigt, indem sie ihr Vertrauen auf Götzen setzten statt auf Gott. Was sind heute potenzielle Götzen in unseren Familien? Grundsätzlich sind es alle Dinge, die in unseren Herzen eine Priorität in „Konkurrenz“ zum Herrn Jesus einnehmen. „Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden“ (Mt 6,33). Wenn wir andere Prioritäten haben, werden sich auch unsere Entscheidungen, unsere Zeitplanung etc. an diesen Prioritäten ausrichten. Wenn zum Beispiel unser Beruf die oberste Priorität hat, wird unser geistliches Leben, der Besuch der Zusammenkünfte etc. dem untergeordnet. Dasselbe gilt für Hobbys wie beispielsweise Sport, Garten, Fotografie, Computerspiele …
Habakuk hat zunächst eine enge persönliche Beziehung und Liebe zu Gott. In Kapitel 1,12 sagt er: „Bist du nicht von alters her, Herr, mein Gott, mein Heiliger?“ Gleichzeitig ist er in Not über den Zustand des Volkes (s. z. B. Kap. 1,2.3), was von echter Liebe zu seinem Volk zeugt.
Ist es nicht das, was auch uns als Eltern auszeichnen sollte? Einerseits eine tiefe, lebendige und von Liebe gekennzeichnete Herzensbeziehung zu Gott und seinem Sohn. Andererseits eine Liebe zum Volk Gottes insgesamt. Dabei beginnen wir mit dieser Liebe zum Volk Gottes an dem Platz, an den wir hingestellt sind. Und wie können wir Liebe zum Volk Gottes leben, wenn wir sie nicht schon im engen Bereich der Familie praktizieren?
Liebe zum Volk Gottes hat mit der geistlichen Beziehung zu tun, in die wir gekommen sind. Liebe in der Familie beginnt sogar mit der natürlichen Beziehung. Einerseits besteht die Gefahr, die natürlichen Beziehungen über die geistlichen Beziehungen zu stellen. Andererseits werden wir in den geistlichen Beziehungen nicht treu sein können, wenn wir es in den natürlichen Beziehungen nicht sind (s. z. B. 1. Tim 5,8). Gerade in einer Zeit, in der die Menschen in unserem Umfeld die natürliche Liebe mehr und mehr aufgeben (s. 2. Tim 3,3), sollten wir unsere Kinder lieben – ohne Vorbedingung, einfach, weil sie unsere eigenen Kinder sind, die Gott uns anvertraut hat. Lasst uns diese Liebe in Wort und Tat wirklich zeigen. Wie zeigen wir unseren Kindern, dass wir sie von Herzen lieb haben? Wann haben wir sie das letzte Mal umarmt?
Gerade wir Väter sind gefordert, ihnen herzliche Vaterliebe vorzuleben, so wie wir das von unserem himmlischen Vater gezeigt bekommen. Diese Vertrauensbeziehung zu unseren Kindern ist wichtig, damit sie ein gutes Vaterbild vermittelt bekommen. Das erleichtert ihnen, auch zu ihrem himmlischen Vater frühzeitig eine echte Vertrauensbeziehung zu entwickeln – eine Disziplin, auf die wir insbesondere als Väter einen Schwerpunkt legen müssen. Das können und dürfen wir nicht an unsere Ehefrauen „delegieren“.
Eine ganz besondere Herausforderung in unseren Familien ist heute ohne Zweifel der richtige Gebrauch von Smartphones. Hier sind wir als Eltern mehr denn je zu aktiver Wachsamkeit aufgefordert, denn das Smartphone ist ein mächtiges Mittel, mit welchem Satan versucht, unsere Kinder (und uns selbst) mit nutzlosen und/oder schädlichen Dingen zu beschäftigen, ihnen (und uns) damit wertvolle Zeit zu stehlen, sie (und uns) mit bösen Inhalten zu verunreinigen und nicht zuletzt Unfrieden in der Familie zu säen.
Sicher sind die Gefahren je nach Alter und Charakter des Kindes und familiärer Situation unterschiedlich, doch haben wir als Eltern unbedingt „Torhüter“-Funktion, um unsere Kinder aktiv vor dem Eindringen moderner Götzen zu schützen!
Das gesamte Bibelbuch ist wie bei kaum einem anderen Propheten durch einen vertrauensvollen Dialog zwischen Habakuk und Gott gekennzeichnet. Habakuk bringt ganz offen und frei seine Fragen vor Gott und scheut sich auch nicht, etwas herausfordernde „Warum-Fragen“ (s. Kap. 1,3.13) zu stellen. Dies tut er aber nicht provokativ, sondern aus einer echten Not heraus. Er stellt sich sogar auf einen Turm, „um zu sehen, was er mit mir reden wird“ (Kap. 2,1). Das Ergebnis ist ermutigend: „Da antwortete mir der Herr“ (Kap. 2,2). Später sagt er in einem Gebet: „Herr, ich habe deine Kunde vernommen“ (Kap. 3,2).
Erleben unsere Kinder, dass unser Haus und unser Leben von Gottes Wort und durch das Gebet geprägt sind? Unser Vorbild darin ist sehr wichtig und unsere Kinder werden lebenslang davon profitieren. Es ist gut, Energie dafür aufzuwenden und gute Gelegenheiten sind vor allem konkrete Lebenssituationen der Kinder, die wir unter gemeinsamem Gebet mit ihnen durchleben.
In Kapitel 3,18.19 wird sehr deutlich, dass Habakuk Freude im Herrn hat und auf dessen Kraft vertraut. Die anfängliche Verzweiflung ist bei Habakuk nach seiner „Aussprache“ mit seinem Gott freudigem Jubel, Zuversicht und Vertrauen in die Kraft des Herrn gewichen. Wenn er beschreibt, dass der Herr seine Füße denen der Hirschkühe – das sind reine und aktive Tiere – gleichmacht und er nun auf Höhen schreitet, dann spürt man, welcher Sinneswandel bei ihm eingetreten ist. Man denkt an Asaph, dessen Depression überwunden wurde, als er „hineinging in die Heiligtümer Gottes“ (Ps 73,17). Je mehr wir uns persönlich und gemeinsam mit der ganzen Familie praktisch in der Gegenwart des Herrn Jesus aufhalten, desto glücklicher, lebendiger und „leichtfüßiger“ wird unser Familienleben – unabhängig von den Umständen, die sich zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch nicht verändert haben, wie es ja auch bei Habakuk noch nicht der Fall war. Aber sein Blick auf die Umstände hatte sich durch den Austausch mit dem Herrn verändert.
In Kapitel 1,2 klagt Habakuk: „Wie lange, Herr, habe ich gerufen, und du hörst nicht?“ Dieses Bibelbuch macht deutlich, dass er eine echte Liebe zu seinem Volk hatte und dessen Wohlergehen ihm ein Herzensanliegen war. Es ist wichtig, diese Haltung auch unseren Kindern zu vermitteln. Das wird sich äußern in unseren Gebeten, in unseren Kontakten und in unserem Dienst. Es ist gut, wenn unsere Kinder, wenn sie gläubig sind, Schritt für Schritt Aufgaben im Volk Gottes übernehmen, denken wir nur an Hilfsdienste z. B. bei älteren Geschwistern (Rasen mähen, Schnee schieben, Einkäufe erledigen etc.) oder, wenn sie älter sind, an die Mitarbeit in der Sonntagschule.
Eine ernste Warnung finden wir in Kapitel 2,9. Damals dachten die Babylonier, dass sie sich mit unlauteren Mitteln schöne und sichere Häuser bauen konnten, um vor Unglück bewahrt zu bleiben. Darüber spricht Habakuk eines der fünf „Wehe dem“ aus.
Auch wir stehen in der Gefahr, all unsere Energie, unsere Zeit, unsere Fähigkeiten und unser Geld für die Optimierung unseres persönlichen Lebens einzusetzen, um ein vermeintlich sicheres und bequemes Leben zu führen. Doch dadurch vernachlässigen wir eine christliche Lebensführung und laufen Gefahr, unser „Nest hoch zu setzen“. Vor dieser auf das rein Irdische ausgerichteten Herzenshaltung warnt Habakuk – und auch wir tun gut daran, uns diese Warnung zu Herzen zu nehmen. Unsere Kinder beobachten uns, ob wir unsere gesamte Freizeit in die Pflege des Gartens, des Hauses etc. investieren, oder eben bewusst Zeit und Energie für den Dienst für den Herrn aufwenden.
So vermittelt uns Habakuk erstens Glaubenswahrheiten (zum Gottesbild, zur Rechtfertigung aus Glauben, zum Götzendienst und zur Ausrichtung auf Zukünftiges), zweitens lebt er uns eine gesunde persönliche Beziehung zu Gott vor (seine echte Liebe zum Herrn sowie die Kommunikation mit Gott und Freude im Herrn) und drittens gibt er uns gute Impulse für unsere Beziehungen zu anderen (sein Interesse für das Volk Gottes und die Warnung vor Egoismus).
Die Herzenshaltung und Lebenspraxis Habakuks ist ein guter Ansporn für uns Christen und gibt uns auch für unser Familienleben hilfreiche Denkanstöße. Wirklich ein „kleiner“ Prophet mit „großer“ Botschaft!
Markus Krauss
Fußnoten:
„Christ trifft Christenverfolger“, so könnte man die Begegnung beschreiben, die in diesem Haus stattfand. Doch zunächst einmal der Reihe nach.
Ananias aus Damaskus ist ein treuer Jünger des Herrn. Er steht sofort zur Verfügung, als der Herr ihn ruft: „Siehe, hier bin ich, Herr!“ (V. 10). Der Auftrag des Herrn ist ebenso klar: „Steh auf und geh in die Gasse, die ‚die Gerade‘ genannt wird, und frage im Haus des Judas nach jemand mit Namen Saulus, von Tarsus, denn siehe, er betet“ (V. 11). So weit, so gut. Wenn nur dieser Saulus nicht als übler Christenverfolger bekannt gewesen wäre! Ananias bringt seine Bedenken vor den Herrn, aber dieser bestätigt den Auftrag: „Geh hin …“ Und Ananias macht sich auf den Weg.
Sind wir auch bereit, aus unserer Komfortzone aufzustehen und zu gehen, wenn der Herr uns ruft? Vielleicht Witwen oder Waisen in ihrer Drangsal zu besuchen, einen Krankenbesuch zu machen, einen Dienst der Fußwaschung auszuüben … Und wie sieht es mit solchen Diensten für Geschwister aus, die uns nicht so sympathisch sind? Oder mit dem verbitterten Nachbarn, der vielleicht noch gar nicht errettet ist und zu dem der Herr uns schickt? Sicher gibt es noch manche anderen Beispiele.
Vielleicht haben wir auch Einwände, Befürchtungen, sehen keine Erfolgsaussichten oder haben gar Ausreden. Es bedarf einer engen Gemeinschaft mit dem Herrn und der Abhängigkeit von Ihm, um seine Aufträge zu erkennen, dann aber auch Vertrauen, dass Er uns in allem helfen wird.
Ananias kommt genau zur rechten Zeit an den rechten Ort und findet alles so vor, wie der Herr vorhergesagt hatte. Saulus betet und ist bereit, Ananias zu empfangen. Ananias redet ihn mit „Bruder Saul“ an und legt ihm die Hände auf. Saul wird wieder sehend, wird mit Heiligem Geist erfüllt, lässt sich taufen und wird gestärkt.
Wie hat der Herr diesen schwierig erscheinenden Besuch gesegnet! Lassen wir uns durch dieses Beispiel ermuntern!
Lydia, eine Purpurhändlerin, ist eine fromme Frau aus der Stadt Thyatira. Sie betet Gott an, hört zu, was Paulus redet, und so kann der Herr ihr das Herz öffnen. Die geistlichen Früchte werden sofort sichtbar:
Auch in diesem Haus kommt es zu einer bemerkenswerten Begegnung. Paulus und Silas werden ihres Zeugnisses für den Herrn willen arg misshandelt und schließlich ins Gefängnis geworfen. Dort werden sie einem gewissen Kerkermeister übergeben, der sie ins innerste Gefängnis wirft und ihre Füße fest in den Stock schließt. An diesem schrecklichen Ort beten Paulus und Silas öffentlich und lobsingen Gott, so dass ihnen die Mitgefangenen zuhören.
Und dann greift Gott ein und bewirkt ein großes Erdbeben. Die Grundfesten des Gefängnisses werden erschüttert und alle Türen öffnen sich. Sogar die Fesseln fallen ab. Der Kerkermeister wird aus dem Schlaf gerissen, und als er die Lage erkennt, will er sich umbringen, da er meint, die Gefangenen seien geflohen. Paulus redet beruhigend auf ihn ein und der Mann stellt die Frage aller Fragen: „Was muss ich tun, um errettet zu werden?“ Paulus kann ihm verkündigen: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus.“ Dann reden sie das Wort des Herrn zu allen, die in seinem Haus sind.
Auch hier wird das neue Leben sofort sichtbar:
Wahrscheinlich erleben wir in unseren Häusern nicht so spektakuläre Ereignisse. Aber auch wir dürfen Erlebnisse mit dem Herrn haben, die uns üben und gleichzeitig im Glauben stärken. Vielleicht ist auch noch nicht unsere ganze Familie gläubig geworden und wir flehen zum Herrn um die Errettung geliebter Angehöriger.
Oder wir sorgen uns um die geistlichen Fortschritte unserer (gläubigen) Kinder. Vor allem sollte man bei uns aber eine innige (Bruder-)Liebe spüren, die sich zum Wohl der anderen betätigt. Gastfreundschaft ist eine mögliche Ausdrucksweise davon. Und schließlich sind Häuser, in denen der Herr durch Gebete, Lieder usw. gepriesen wird, glückliche Häuser.
Hiermit endet nun die kurze Reihe über Häuser in der Bibel. Viele andere Beispiele könnten noch genannt werden. Vielleicht achten wir bei unserem Bibellesen einmal darauf.
Und schließlich halten wir Ausschau nach dem Haus unseres himmlischen Vaters, in dem viele Wohnungen sind (s. Joh 14,2). Der Herr Jesus hat uns die Stätte dort schon bereitet und wir warten nur noch auf den Einzug.
Bald wird er kommen und uns zu sich nehmen, damit wir allezeit bei Ihm sind und seine Herrlichkeit schauen.
Dann werden alle Mühen und Beschwerden, die auch unsere Häuser betreffen können, vorbei sein und wir werden eine ewige Freude und Ruhe bei Ihm genießen. Bis dahin wollen wir den Herrn in unseren Häusern ehren und ein Zeugnis für diese Welt sein.
Andreas Kringe
Liebe Leser,
der letzte Abschnitt von Römer 8 (V. 31-39) enthält einige Fragen, denen wir zu unserer Ermunterung einmal nachgehen wollen:
„Was sollen wir nun hierzu sagen?“
Das „hierzu“ bezieht sich auch auf die Zeilen vorher, wo wir lesen, dass Gott uns vor der Zeit erkannt und bestimmt hat, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, dass Er uns in der Zeit berufen, gerechtfertigt und zuletzt verherrlicht hat (was nach dem Ratschluss Gottes schon geschehen ist, für uns aber noch in der Zukunft liegt).
„Wer (ist) gegen uns?“
Sicher Satan, manchmal auch Menschen. Aber was ist diese Gegnerschaft im Vergleich dazu, dass Gott für uns ist?
„Wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?“
Gott hat vor etwa 2.000 Jahren seinen Sohn für uns alle hingegeben, in der Zukunft wird Er Ihm alles unterwerfen und schenken und wir werden Mitbeschenkte sein. Und auch auf dem Weg dahin wird Er uns alles Nötige geben (s. Phil 4,19).
„Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben?“
Wer sollte es wagen, das zu tun, da Gott uns doch auserwählt hat?
„Wer ist es, der verdamme?“
Die höchste und letzte Instanz ist Gott – und Er hat uns gerechtfertigt.
„Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“
Sieben Dinge werden hier erwähnt. Aber in der Gewissheit, dass uns nichts von seiner Liebe scheiden kann, überwinden wir dies alles.
Als Letztes stellt Paulus nicht die Frage,
wer oder was uns von der Liebe Gottes scheiden kann,
sondern stellt fest, dass nichts der zehn aufgezählten Dinge/Personen uns davon scheiden kann.
Zum Schluss wollen wir uns noch einmal fragen lassen:
„Was sollen wir nun hierzu sagen?“
Nach dieser Ermunterung wünsche ich
viel Freude beim Lesen des neuen Heftes.
Horst Zielfeld