Eine Redewendung französischer Herkunft – „Noblesse oblige“ oder „Adel verpflichtet“ – besagt, dass mit einer bevorrechtigten Stellung auch alltägliche Verpflichtungen einhergehen. Damit lässt sich auf sehr einfache Weise der ganze Inhalt des Epheserbriefes prägnant mit nur zwei Worten zusammenfassen – denn auch in geistlicher Hinsicht ist die himmlische Stellung des Gläubigen mit direkten irdischen Auswirkungen verbunden. Ein kurzer Streifzug durch den Epheserbrief bietet uns im Sinne dieses Sprichworts einen überblicksartigen Eindruck von den wunderbaren Vorrechten und deren Auswirkungen in unserem praktischen Leben.
Der Epheserbrief führt uns auf die höchsten Höhen christlicher Segnungen in der Bibel. Wie bei einer Bergwanderung, die mit dem Erklimmen des Gipfels endet und dem Wanderer einen belohnenden Weitblick über die gesamte Umgebung bietet, stellt die Beschäftigung mit dem Epheserbrief ein gewaltiges Panorama geistlicher Wahrheiten vor die Blicke. Und wie der Bergsteiger körperlichen Einsatz und Ausdauer benötigt, so bedarf es auch geistlicher Energie und Mühe, um sich diesen Brief im eigenen Glaubensleben anzueignen. Doch die Mühe lohnt sich – in geistlicher Hinsicht auf dem Glaubensweg sogar noch unvergleichlich mehr als bei einer irdischen Bergbesteigung!
Auf dem Weg zum Gipfel gibt es mehrere Etappen. So ist auch der Epheserbrief in verschiedene Abschnitte unterteilt: In den ersten drei Kapiteln wird die ganze Höhe und Reichweite des Ratschlusses Gottes mit allen damit verbundenen Segnungen deutlich gemacht. Dabei steht im ersten Kapitel die Verkündigung des Ratschlusses, im zweiten Kapitel dessen Verwirklichung und im dritten Kapitel die Verwaltung dieser Dinge durch den Apostel Paulus vor unseren Blicken. Ab Kapitel vier schließt sich dann mit den Worten „Ich ermahne euch nun“ der praktische Abschnitt dieses Briefes an.
Durch Kenntnis des Ratschlusses Gottes und Teilhaberschaft an den wunderbaren Wahrheiten der ersten drei Kapitel sind wir gewissermaßen „geadelt“ – wir sind „gesegnet“, „auserwählt“, „heilig und untadelig“, „zuvorbestimmt zur Sohnschaft“, „begnadigt“ und „Erben“ Gottes (s. Kap. 1,3-6.11). Wie wichtig ist es, dass wir uns dieser Segnungen immer wieder neu bewusst werden, denn sie zeichnen uns aus! Neben den persönlichen Segnungen stellt uns der Brief auch vor, dass Gott die Glaubenden zusammengefügt hat zu einem Leib (s. Kap. 1,23; 2,16) und zu einem geistlichen Haus (s. Kap. 2,20-22). Auch das sind Segnungen, über die wir neu froh und dankbar sein wollen!
Doch es kommt nicht nur darauf an, die Vorrechte und Segnungen unserer Stellung gut zu kennen, sondern auch, damit in der Alltagspraxis verantwortungsvoll umzugehen. Deshalb haben wir ab dem vierten Kapitel des Epheserbriefes den praktischen Teil. Dort werden wir durch Ermunterung und Ermahnung gewissermaßen „verpflichtet“, dieser wunderbaren Stellung entsprechend zu leben.
Dabei soll nicht eine befohlene Pflichterfüllung, sondern eine bewusste Überzeugung der eigene Antrieb zu einem Gott gemäßen Wandel sein. Wir wollen gerne dem entsprechen, was Gott von uns als „Geadelten“, ja, Geheiligten, erwarten kann, um auch praktischen Genuss an diesen wunderbaren Segnungen zu haben.
Welche „Verpflichtungen“ sind nun gemeint, um in praktischer Weise jeden Tag unserer hohen Berufung zu entsprechen? Der praktische Wandel wird im zweiten Abschnitt des Epheserbriefes verschiedentlich beschrieben: Wir sollen „würdig wandeln der Berufung“ (s. Kap. 4,1), „in Liebe wandeln“ (s. Kap. 5,2), „wandeln als Kinder des Lichts“ (s. Kap. 5,8), „sorgfältig wandeln“ (s. Kap. 5,15).
Zudem wird im Kontrast zum Leben der gottlosen Menschen gezeigt, wie wir nicht wandeln sollen (s. Kap. 4,17 ff.). Grundsätzlich sollen wir nämlich „Nachahmer Gottes“ sein (Kap. 5,1). Das können wir verwirklichen, indem wir Christus zum Vorbild nehmen und seinen Wandel hier auf der Erde als Mensch jeden Tag neu nachahmen. Welch eine hohe Verpflichtung, die mit unserer hohen Stellung einhergeht!
Diese hohe Verantwortung gilt nicht nur bestimmten Personen. Alle Gläubigen stehen in jedem Bereich ihres Lebens in der Pflicht, dieser Verantwortung zu entsprechen. Somit wird im weiteren Verlauf des Epheserbriefes jeder angesprochen. Es werden nach allgemeingültigen Hinweisen für alle (s. Kap. 4,1-5,21) speziell die Ehefrauen (s. Kap. 5,22-24), die Ehemänner (s. Kap. 5,25-33), die Kinder (s. Kap. 6,1-3), die Väter (s. Kap. 6,4), die Arbeitnehmer (s. Kap. 6,5-8) und die Arbeitgeber (s. Kap. 6,9) erwähnt.
Schließlich endet der Epheserbrief mit der Beschreibung der Waffenrüstung Gottes, durch die wir alle benötigten Hilfsmittel zur Verfügung haben, um unserer Berufung entsprechend zu wandeln. So weist Gott uns nicht nur auf unsere Verantwortung hin, sondern Er befähigt uns auch, durch seine bereitgestellten Hilfsmittel dieser Verpflichtung zu entsprechen.
Alles geht von Ihm aus. Wie groß ist Er! Welch ein Vorrecht ist es, Ihm anzugehören und Ihm nachzufolgen.
Matthias Wölfinger
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Es ist ein unschätzbares Vorrecht, die Bibel in Händen zu halten. Wir können dieses von Gott inspirierte Buch (s. 2. Tim 3,16; 2. Pet 1,21) im Deutschen sogar jeden Tag in grundtextnaher Übersetzung[1] lesen und studieren. Dabei stellen wir immer wieder bewundernd fest, dass die Bibel einerseits allgemeine Mitteilungen für alle Menschen enthält, andererseits aber auch ganz persönlich in den Lebensumständen jedes Einzelnen Anwendung findet – durch die Jahrtausende der Menschheitsgeschichte hindurch. Solch eine gewaltige Tragweite an Botschaften kann nur Gottes Wort bereitstellen!
Wir wollen stellvertretend die beiden Bereiche Zeitgeschichte und Wissenschaft nennen, um die Allgemeingültigkeit der Bibel anzudeuten. Da sind zum einen die vielen prophetischen Aussagen der Bibel zu weltpolitischen Ereignissen zu erwähnen, die sich zum Teil bereits in beachtlicher Präzision erfüllt haben und zum Teil noch erfüllen werden. Zum anderen sind in Gottes Wort auch grundlegende wissenschaftliche Details schon viele Jahrhunderte zuvor niedergeschrieben worden, bevor diese teilweise erst vor wenigen Jahrzehnten von Forschern entdeckt und bestätigt werden konnten.
Zwei konkrete Beispiele hierzu: Schon das älteste Buch der Bibel erklärt astronomische Vorgänge im Sternbild Orion (s. Hiob 38,31). Zur Zeit Hiobs waren diese Details noch völlig unerforscht. Erst mithilfe moderner Teleskope konnte man beobachten (und bestätigen!), dass sich der Gürtel des Orion wie von Hiob beschrieben tatsächlich löst, das heißt, dass der Abstand der Sterne dort voneinander ständig zunimmt.
Ein weiteres Beispiel ist nicht weniger beeindruckend: Petrus, ein einfacher Fischer aus Galiläa, wies schon vor zweitausend Jahren durch den Geist Gottes getrieben darauf hin, dass Gott einmal die Grundelemente auflösen wird (s. 2. Pet 3,10). Doch erst im 20. Jahrhundert bestätigte sich, dass das Atom (griech. „atomos“ = „unteilbar“) als Grundelement tatsächlich nicht unteilbar ist, sondern durch Kernspaltung in noch kleinere Bestandteile zerlegt werden kann.
Allein diese beiden Beispiele machen in beeindruckender Weise die uneingeschränkte Autorität und Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift deutlich. Der Glaube braucht diese Bestätigung nicht, da er Gottes Wort sowieso für wahr und unfehlbar hält. Aber er freut sich über solche Entdeckungen. Gottes Wort ist immer aktuell und immer der Zeit voraus!
Ebenso beeindruckend ist, dass die Bibel gleichzeitig auch ganz persönlich jeden einzelnen Menschen anspricht, um den eigenen Lebensweg nach Gottes Gedanken auszurichten. Somit lenkt Gott durch sein Wort nicht nur die Bahn von Sternen und Zeitabläufen, sondern auch jeden Einzelnen von uns auf dem persönlichen Glaubensweg. Das ist großartig!
Hinter allem, seien es universelle oder persönliche Botschaften des Wortes Gottes, steht eine einzige Person, von der alles ausgeht und auf die alles ausgerichtet ist – Jesus Christus, der Sohn Gottes, der das Wort ist (s. Joh 1,1). Er ist der Ausgangspunkt, Mittelpunkt und Zielpunkt des Handelns Gottes, „das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ (Off 22,13).
Und somit ist Christus auch Urheber, Inhalt und Vollbringer der guten Botschaft, des Evangeliums Gottes, das gleichzeitig (!) eine universelle (s. Röm 10,18) und individuelle (s. Apg 16,31) Botschaft ist.
Wir wollen nun die Schönheit des Wortes Gottes, wie sie jeder von uns persönlich entdecken und genießen darf, noch ein wenig näher beleuchten. Dazu schauen wir uns einige bildhafte Vergleiche für das Wort Gottes an und entdecken eine wunderschöne Bildergalerie mit sehr unterschiedlichen Motiven. Gottes Wort wendet sich stets an unser Herz, an unser tiefstes Inneres, um unseren persönlichen Lebensweg nach seinen Gedanken auszurichten.
Beginnend im Alten Testament wird Gottes Wort zunächst mit Brot verglichen (s. 5. Mo 8,3), das für unseren Lebensweg in geistlicher Hinsicht als unverzichtbare Speise dient. Daran anknüpfend nennt sich der Herr Jesus im Neuen Testament das Brot aus dem Himmel (s. Joh 6,32), von dem wir uns täglich nähren sollen.
In Psalm 19 wird dann Gottes Wort als gediegenes, feines Gold dargestellt (s. Ps 19,11). Dadurch kommen der Wert und die Kostbarkeit der göttlichen Mitteilungen zum Ausdruck. Im gleichen Vers wird auch betont, dass es süßer als Honig und Honigseim ist. Honigseim ist langsam ausgeflossener, nicht ausgepresster Honig. Wir erkennen hieraus, dass sich die Süßigkeit und der Geschmack am Wort Gottes nur dann entfalten können, wenn es regelmäßig, in Ruhe und mit Ausdauer gelesen wird – so wie Honig nicht in kurzer Zeit, sondern nur mit stetigem Aufwand von den Bienen hergestellt werden kann (für 1 Kilogramm Honig muss ein ganzes Bienenvolk ca. 2 Millionen Blüten anfliegen und dabei eine Flugstrecke von insgesamt 90.000 Kilometern zurücklegen!).
Daher die Ermunterung: Lies Gottes Wort fleißig und regelmäßig, um dann auch die Kostbarkeit und den süßen Geschmack daran genießen zu können.
Darüber hinaus wird Gottes Wort im Alten Testament mit Licht (Ps 119,105) und einem Hammer verglichen (s. Jer 23,29), um zu zeigen, dass es sowohl Orientierung als auch Zurechtweisung auf dem Lebensweg bereitstellt.
Im Neuen Testament wird uns die Wirkungsweise des Wortes Gottes ebenfalls mit einer Reihe von verschiedenen Bildern vorgestellt, die noch über die bereits betrachteten Vergleiche hinausgehen.
Die Bedeutung des Wortes Gottes als Nahrung finden wir (wie schon angedeutet) durch den Herrn Jesus selbst in den Evangelien wieder. Dieser Grundgedanke wird durch den Vergleich des Wortes Gottes mit Milch und fester Speise durch Paulus (s. 1. Kor 3,2) und den Schreiber des Hebräerbriefes (s. Heb 5,13.14) noch weiter präzisiert, um zu verdeutlichen, dass Gottes Wort Speise für jedes Bedürfnis bereitstellt – sowohl für geistlich Unmündige als auch für Erwachsene im Glauben.
Gottes Wort wird auch mit einem Samen verglichen und damit als Ausgangspunkt und Kraftquelle des neuen Lebens dargestellt (s. Lk 8,11; 1. Pet 1,23).
Darüber hinaus wird die reinigende Wirkung des Wortes Gottes durch den Vergleich mit Wasser hervorgehoben (s. Eph 5,26). Wir werden zum Selbstgericht geführt, wenn wir uns im Spiegel des Wortes Gottes betrachten (s. Jak 1,23) und dabei etwas offenbar wird, was bei uns nicht in Übereinstimmung mit seinem Wort ist.
Der Gedanke des Selbstgerichts – und noch viel mehr – klingt nochmals an, wenn Gottes Wort mit einem zweischneidigen Schwert verglichen wird (s. Heb 4,12), das sowohl die eigene Person als auch den Gegenüberstehenden beurteilt.
Darüber hinaus ist das Wort Gottes für den Gläubigen das Schwert des Geistes (s. Eph 6,17), das wir im Glaubenskampf gegen die geistlichen Mächte der Bosheit einsetzen sollen. Doch um Gottes Wort im Kampf siegreich gebrauchen zu können, müssen wir es gut kennen und gewohnt sein, damit umzugehen. Sind wir wie Eleasar, einer der drei Helden Davids, der im Umgang mit dem Schwert im Kampf gegen den Feind so vertraut war, dass es an seiner Hand kleben blieb (s. 2. Sam 23,10)?
… Samen
= Ursprung und Kraftquelle des neuen Lebens
… Brot
= (Grund-)Nahrungsmittel
… Milch und fester Speise
= bedarfsgerechte Nahrung
… Honigseim
= Süßigkeit
… Licht
= Wegweisung
… Hammer
= Zurechtweisung
… Spiegel
= Überführung und Selbstgericht
… Wasser
= Reinigung
… Schwert
= Waffe im Glaubenskampf
… Gold
= Kostbarkeit
Gottes Wort ist ein reichhaltiger Schatz! Es wirkt sich auf unserem Glaubensweg in vielfältiger Weise aus. Machen wir oft und gerne Gebrauch davon?!
Matthias Wölfinger
Fußnoten: