
Je älter ein Gläubiger wird, desto eher kann die Frage aufkommen, ob er noch brauchbar und fähig dazu ist, dem Herrn weiter zu dienen.[1] Umgekehrt mögen sich junge Christen fragen, ob sie schon alt genug dafür sind, dem Herrn zu dienen. Manch einer erschwert sich bisweilen selbst die Antwort auf solche Fragen durch ein zu stark eingeengtes Verständnis von „Dienst für den Herrn“. Deshalb einleitend noch ein allgemeiner Gedanke zum Thema „Dienst für den Herrn“: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen … ihr dient dem Herrn Christus“ (Kol 3,23.24).
Dieser Vers zeigt zugleich, dass es keine „arbeitslosen“ Gläubigen gibt. Die Verherrlichung des Herrn (s. Joh 16,14) sowie die „Erbauung und Ermahnung und Tröstung“ (1. Kor 14,3) der Versammlung sind die vornehmen Ziele, die der Herr – gewirkt durch den Heiligen Geist – durch die Dienste erreichen möchte, mit denen Er uns betraut und zu denen Er uns begabt. Und zwar unabhängig von unserem Alter!
Darum ist „Dienst für den Herrn“ nicht nur auf öffentlichkeitswirksame Aktivitäten wie die Verkündigung des Wortes Gottes in den Zusammenkünften der Gläubigen oder des Evangeliums vor Ungläubigen begrenzt. Einem Schulkameraden beim Vokabeln lernen zu helfen, gehört ebenfalls dazu; auch beim Bügeln der Hemden, der Arbeit im Beruf für den Arbeitgeber oder bei anderen Tätigkeiten können wir dem Herrn dienen. Ganz zu schweigen von wichtigen Tätigkeiten wie dem Gebet für unsere Mitgeschwister und das Wohlergehen des örtlichen Zeugnisses der Versammlung, die im persönlichen Gebet in der Stille ausgeübt werden. Alles soll „als dem Herrn“ getan werden, also zu seiner Ehre.
Was auch immer der Herr uns tun lässt – es werden weitaus mehr Dienste im Verborgenen getan als solche, die öffentlich wahrzunehmen sind.
Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament finden wir zahlreiche Beispiele gottesfürchtiger Menschen, die der Herr benutzte, um Ihm zu dienen. Dazu gehören nicht nur solch leuchtende Werkzeuge wie Abraham, Mose und David im Alten Testament oder die Apostel im Neuen Testament. Alte und Schwache finden sich ebenso darunter wie junge Männer und Frauen. Gerade auch diese Beispiele junger Menschen liefern uns wertvolle Hinweise für unseren Dienst für den Herrn Jesus. Im Rahmen dieses Artikels können nur einige Schlaglichter gezeigt werden, die zum eigenen weiteren Nachdenken darüber anregen möchten.
Die Dienerin der Frau Naamans war ein junges Mädchen, über das Gottes Wort ganze drei Verse berichtet (s. 2. Kön 5,2-4). Wir könnten gut verstehen, wenn sie ihre Aufgaben nur widerwillig erledigt und sich dabei auf das unbedingt Erforderliche beschränkt hätte. Schließlich war sie als Kriegsgefangene aus ihrer Heimat verschleppt und aus ihrer Familie herausgerissen worden.
Doch die Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben erfüllte und wie sie sich verhielt, müssen die Frau Naamans beeindruckt haben. Wie sonst war es möglich, dass sie auf diese Sklavin hörte, als diese ihr bezeugte, dass ihr Mann Naaman von seinem Aussatz geheilt werden könne, wenn er nur vor dem Propheten Elisa in Samaria wäre (s. V. 3)?
Angst vor Rache, Zweifel an der Wahrheit dessen, was das Mädchen sagte – von alledem lesen wir nichts. Stattdessen lesen wir von den Früchten, die Gott daraus wachsen ließ, dass dieses „namenlose“ Mädchen auch in schwierigen äußeren Lebensumständen treu im Kleinen war. Für Gott war ihr Dienst so wertvoll, dass Er es zu unserer Belehrung aufschreiben ließ (s. Röm 15,4).
„Niemand verachte deine Jugend.“ Auch für die ältere Generation sind diese Worte bedeutsam. Wir tun gut daran, einen Dienst nicht schon allein deshalb gering zu schätzen oder gar abzulehnen, weil er von einem Jüngeren getan wird. Vielmehr ist es wichtig, aufmerksam zu registrieren, wenn junge Christen verwirklichen, was uns die genannten Beispiele vorstellen. Das wird uns ihren Dienst in der rechten Weise wertschätzen lassen. Und wenn die Jüngeren diese Wertschätzung spüren, wird es sie ermutigen, die ihnen anvertraute Gnadengabe nicht zu vernachlässigen (s. 1. Tim 4,14a).
Er war nur ein Knabe und sein Name ist uns ebenso unbekannt wie der der Dienerin der Frau Naamans. Aber er war dabei, als der Herr Jesus an einem öden Ort zu einer großen Volksmenge sprach, um sie zu belehren (s. Joh 6,9; Mk 6,34.35). Und er hatte bei dieser Gelegenheit etwas dabei, was sonst keiner mitgebracht hatte – etwas zu essen. Für Gott war das so bemerkenswert, dass diese fünf Brote und zwei Fische in allen vier Evangelien erwähnt werden (s. Mt 14,17; Mk 6,38.41; Lk 9,13; Joh 6,9).
Es kommt nicht darauf an, wessen Besitz der Herr Jesus nutzen kann, um anderen damit zu Hilfe zu kommen. Ob es viel oder wenig ist, der Herr will es zu einem Segen für alle werden lassen. Dabei ist alles, was wir dem Herrn geben können, letztlich von Ihm geschenkt. So wie David es sagte: „Denn wer bin ich, und was ist mein Volk, dass wir vermögen, auf solche Weise freigebig zu sein? Denn von dir kommt alles, und aus deiner Hand haben wir dir gegeben“ (1. Chr 29,14).
Das gilt übrigens nicht nur für den materiellen Besitz, sondern auch für die geistlichen Befähigungen, die der Herr uns anvertraut hat, wie das Beispiel Jeremias zeigt. Der Herr hatte ihn zum Propheten an die Nationen bestellt – und zwar schon vor seiner Geburt (s. Jer 1,5). Jeremia war sich der Schwere der Aufgabe und der besonderen Verantwortung bewusst, die damit verbunden waren: „Ach, Herr, Herr, siehe, ich weiß nicht zu reden, denn ich bin jung“ (V. 6). Doch diesen Einwand ließ Gott nicht gelten. Stattdessen forderte Er Jeremia auf, Ihm gehorsam zu sein, und versprach ihm, dass Er selbst Jeremia die Worte in den Mund legen würde, die Jeremia als Botschaft an diejenigen ausrichten sollte, zu denen Gott ihn sandte.
147-mal werden die im Buch Jeremia aufgezeichneten Botschaften Gottes daraufhin mit den Worten „so spricht der Herr“ von Jeremia weitergegeben. Doch Zeit seines Lebens rühmte sich Jeremia nicht, dass Gott ihm diese Zusage und diesen Auftrag schon als jungem Mann anvertraut hatte. Vielmehr trug er stets schwer an dem Zustand des Volkes Israel und dessen Abfall von Gott. Nicht umsonst wird Jeremia auch der weinende Prophet genannt.
„Niemand verachte deine Jugend“ (1. Tim 4,12a). Mit diesen Worten verband der Apostel Paulus keinen Freibrief für sein „Kind im Glauben“ (1. Tim 1,2), Timotheus, und dessen Dienst. Das verdeutlicht der zweite Teil des Verses: „sondern sei ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in Wandel, in Liebe, in Glauben, in Keuschheit“ (V. 12b). Timotheus hatte einen Dienst vom Herrn erhalten, der auch öffentlich wahrnehmbar war. Er sollte anderen das Wort Gottes vorlesen, sie – wo nötig – ermahnen und er sollte das Wort Gottes auch erklären und es dadurch anderen verständlich machen.
Damit diese Tätigkeiten Anerkennung fanden, war es jedoch erforderlich, dass Timotheus sorgfältig darauf achtete, was er redete. Auch sollte er dem Vorbild des Herrn nacheifern und darauf achten, dass seine Worte nicht durch sein Verhalten unglaubwürdig wurden. Dafür war es wichtig, dass ihn nicht eigenes Geltungsbedürfnis oder andere fleischliche Motivationen trieben, zu reden und zu handeln, sondern die Liebe zum Herrn und zu den Menschen in seinem Umfeld. Seine Worte sollten glaubhaft und sein Benehmen von geheiligter Reinheit sein.
Ein solches Verhalten verlieh dem Dienst dieses jungen Mannes die erforderliche moralische Autorität für die ihm anvertrauten Aufgaben. „Bedenke dies sorgfältig; lebe darin, damit deine Fortschritte allen offenbar seien. Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre; beharre in diesen Dingen, denn wenn du dies tust, so wirst du sowohl dich selbst erretten als auch die, die dich hören“ (V. 15.16).
„Es rühme dich ein anderer und nicht dein Mund, ein Fremder und nicht deine Lippen“ (Spr 27,2). Der erfahrene Apostel wusste um die Bedeutung des Urteils anderer. Dabei war ihm sehr wohl klar, dass Timotheus keinen Einfluss auf das Urteil der Menschen hatte, denen dieser junge (beziehungsweise zumindest noch jüngere) Bruder in seinem Dienst begegnete. Er wusste aber auch, dass Timotheus dieses Urteil durch sein Handeln und Reden durchaus positiv beeinflussen konnte, indem er möglichst wenig Anlass dazu bot, seinen Dienst gering zu schätzen oder gar abzulehnen.
Stefan Busch
Es ist wichtig, dass uns nicht unser eigenes Geltungsbedürfnis oder andere fleischliche Motivationen dazu treiben, zu reden und zu handeln, sondern die Liebe zum Herrn und zu den Menschen in unserem Umfeld.
Fußnoten: